Hand auf die Möse, wann war das letzte Mal, dass du deiner
Schönen eine lange und intensive Betrachtung gegönnt
hast? Weisst du, wo deine clitoralen Schenkel sind, deine „cruras“ (engl.)?
Nein? Okay, selbst eine Kennerin der Materie kommt beim Aufzählen
aller Teile der Clitoris ins Schwitzen. Und was wir gemeinerweise
als Clit bezeichnen, ist ja nur die Spitze des Eisbergs.
Rebecca Chalker weiss es ganz genau und erzählt uns in
ihrem neuen Buch die ganze clitorale Wahrheit. Sie wirft eine
neue, eine weitere Sicht auf den weiblichen Körper. Diese
kommt aus der feministischen Gesundheitsbewegung, woher sonst,
die schon in den Siebzigern auf die Bedeutung der Clitoris
hingewiesen hat. Mary Jane Sherfey wies 1973 in „Die Potenz
der Frau“ sogar auf die urspünglich weiblichen Fortpflanzungsorgane
der zurkünftig männlichen Embryos hin:
© arte-tv
„Embryologisch gesehen ist es durchaus richtig im Penis eine
wuchernde Klitoris, im Skrotum eine übertrieben wuchernde
Schamlippe, in der weiblichen Libido die ursprüngliche
zu sehen!“ Jetzt aber kommt noch mehr zum Vorschein.
Eine australische Kollegin, Frau Dr. Urologin O`Connell hatte
2002 bereits ein grosses Medienereignis entfachen können,
indem sie zehn weibliche Leichen sezierte und die inneren Ausmasse
des weiblichen Schwellgewebes als viel grösser als angenommen
nachweisen konnte. Seit der Entdeckung der Befruchtung 1875
war die Clitoris als überflüssiges Organ erklärt
und aus den Medizin- und Aufklärungsbüchern verbannt
worden. Teilweise wurde sie sogar als Ursache für weibliche
Hysterie diagnostiziert und eine Beschneidung durchgeführt.
Mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen des 2. Jahrtausends
werden Frauen nicht mehr als „anorgasmisch“ oder „dysfunktional“ krank
geschrieben, sondern als „prä-orgasmisch“. Es
fehlt dann nur an Masturbationsanleitungen, dem „know
how“, das in vielen Sex-Workshops gelehrt wird. Rebecca
Chalker beschreibt keine Techniken, sondern informiert uns
detailliert über die Anatomie. Dabei sieht sie die Gemeinsamkeiten
der Geschlechter und reklamiert die vordem meist exclusiv männlich
besetzten Wörter für alle ein. Und gewusst was und
wo, kann frau sexuell nicht nur ganz anders antworten, sondern
auch schon andere Fragen stellen. Los geht's:
Die erste Haltestelle auf der Möse ist der Hügel,
lateinisch „Mons Veneris“ oder auch Venushügel.
Es ist der angenehm gemütliche Ort zwischen den Beinen,
wo deine Haare wachsen. Hier ist alles schön gepolstert,
damit dein Charmebein beim Zusammenprall und Stossen während
des Liebespiels geschützt ist. Es ist ausserdem ein sehr
sensibler Bereich, der voller Nervenenden ist. Auch wenn du
nicht gleich abhebst, ist leichtes Streicheln des Hügels
doch schauerhaft schön, bevor es weiter „runter“ geht.
Als nächstes kommen die grossen und die kleinen Lippen.
Diese zwei Paar Lippen umrahmen das sensitive Innere. Die äusseren
werden „Labia majora“ genannt, sind lecker fleischig,
gepolstert und meist haarig. Die inneren, Labia minora, sind
haarlos und schlüpfrige kleine Dinger. Sie kommen in jeder
Schattierung daher, von nelkenrosa über burgunderrot und
schokobraun. Sie sind meist unterschiedlich lang und manchmal
schauen sie ganz frech über die äusseren Lippen hinaus.
Ausserdem sind sie extrem empfindlich. Wenn frau sexuell erregt
ist, füllen sich die inneren Lippen mit Blut, schwellen
an und färben sich dunkler. Viele Frauen lieben es, an
ihren inneren Lippen stimuliert zu werden und bevorzugen es
zuweilen mehr als eine direkte clitorale Stimulation.
Um die wundervolle Perle geht es jetzt, die Clitoris, oder
liebevoll abgekürzt „Clit“. Hier passiert jede
Menge. Sie ist durchaus vergleichbar mit einem Penis, nur dass
hier vier mal so viele Nerven enden. Wenn wir über sie
reden, beziehen wir uns allerdings nur auf den Kopf des Ganzen,
auf die Eichel unserer Clit. Die Clitoris ist ein äusserst
komplexes Organ, das sich über den gesamten genitalen
Bereich erstreckt. Immer, wenn die Liebste wonnevoll stimuliert
wird, sei es vaginal, anal, oral oder sonstal, die Clit ist
immer dabei. Die Clit ist das einzige Organ des menschlichen
Körpers, das ausschliesslich den Lüsten dient. Sie
ist ein einziges Nerven-Netzwerk, bestehend aus der Kapuze,
der clitoralen Eichel, dem Schaft, den Schenkeln und den Knollen,
engl. „Bulbs“.
Zieh deine Kapuze zurück und du sexponierst den springenden
Punkt, was übrigens sehr angenehm und anregend wirken
kann. Die Clit hat ungefähr 8000 Nervenenden in ihrem
Kostüm, mehr als jedes andere Körperteil. Jede Person
hat eine andere Form und Grösse, ist hier extrem reizend
und sensibel für orgasmische Zustände. Madame umhüllt
sich mit einem faltigen Gewebe, die Kapuze, die den empfindlichen
Knopf vor überreizung schützt. Der Schaft der Clitoris
verläuft über der Eichel entlang. Fahre mit dem Finger über
die Kapuze und drücke dann darauf, die nach oben verlaufende
gummiartige Verbindung dürfte zu spüren sein. Dieses
Band ist etwa 1 – 2,5 cm lang und fühlt sich unter Druck
meistens ganz gut an.
Wir bewegen uns in den Off-Bereich. Der Schaft der Clit breitet
sich bis zum Hügel aus, dann legt er sich in eine Kurve
und gabelt sich in zwei nach unten führende Schenkel.
Sie laufen auf jeder Seite der Möse hinter den inneren
Lippen ca. 6-8 cm herunter. Du kannst sie mit den Fingern nicht
fühlen, sie sind zu tief versunken. Aber sie sind ein
Grund dafür, dass Penetration sich himmlich anfühlen
kann.
Startet frau von dem Punkt, wo Schaft und Schenkel sich treffen,
befinden sich da noch zwei weitere Ausläufer, die „bulbs“ oder
auch Knollen. Sie breiten sich intern nach unten aus und unterminieren
die inneren Lippen. Sie sind grösser als die Schenkel,
lassen sich mit Blut voll laufen und werden ganz hart, wenn'´'s überall
feucht wird.
Unter der Clit ist die urethrale öffnung, die Wasserstelle.
Hier läuft Urin und Ejakulat ab. Bei Frauen wie bei Männern
ist die Wasserstelle von einem schwammartigen Gewebe umgeben,
das sich während der sexuellen Erregung mit Flüssigkeit
füllt und im Moment der Ejakulation herausspritzt. Die
genaue Zusammensetzung des weiblichen Ejakulats ist immer noch
nicht geklärt. Einig ist man sich aber, dass es kein Urin
ist. Das schwammartige Gewebe wird „urethraler Schwamm“ oder „G-Fläche“ genannt
und ist nicht so einfach zu finden, wenn frau nicht angetörnt
ist. Wenn sie aber einmal heiss ist, dann macht die Fläche
sich hartnäckig und groß bemerkbar, so dass sie sich
drücken und reiben lässt. Du kannst die rauhe Textur
spüren, wenn du zwei Finger in den Honigtopf der Liebsten
eintauchst und diese zur Bachdecke hoch führst. Reibst
du hier, wird deine Freundin vielleicht glauben, Wasser lassen
zu wollen. Das ist verständlich, befindest du dich hier
doch in der Umgebung der Wasserstelle Urethra. Wenn sie aber
die Augen verdreht und den Kopf in den Nacken legt, dann fühlt
sie sich wohl durch die Stimulation dieser erotischen Zone
sehr animiert. Vielleicht reagiert sie wie eine Fontäne
in einer spektakulären Wassershow. Hier ist sie, die wunderbare
weibliche Vulvawelt.
Unterhalb der Urethra ist die vaginale öffnung, das Loch.
Meist stellen wir uns die Möse wie ein Rohr vor, aber
in Wirklichkeit liegen ihre Wände flach aneinander, bis
sie sich erregen. Dann werden die Mösenmembrane nass und
schleimig und erlauben Lust und Laster. Die wundervolle Vulva
ist ausserdem ein selbstreinigender heisser Ofen. Vaginale
Duschen sind nicht nötig und sogar eher schädlich,
denn der natürliche Säurehaushalt gegen Bakterien
wird gestört, Infektionen können weniger abgewehrt
werden. Und wer will ausserdem seifige oder künstlich
parfümierte Mösen essen?
Wenn frau rundum nass wird, erhärtet sich das sensible
und nervenreiche äussere der Möse und richtet sich
auf. Das Innere aber, das zwei Drittel des ganzen Reichtums
ausmacht und weniger sensibel ist, sexpandiert ausserordentlich
in Länge und Weite. Dieser Vorgang ist die grosse Eröffnung
und macht vaginales Fisting so himmlich. Ja, da ist wirklich
viel mehr Platz in einer Pussy als du dir ausmalen kannst.
Unter dem vaginalen Tor befinden sich noch zwei kleine bohnengrosse
Drüsen, die Bartholinischen. Sie versorgen dich während
des Sexes mit kleinen Portionen Gleitgel. Wenn sie blockiert
sind, schwellen sie an, was zuweilen unangenehm oder schmerzhaft
sein kann, aber nicht wirklich bedrohlich. Sei lieb zu ihnen,
besprich sie oder bade sie in Kamille und gönne ihnen
Ruhe.
Und wie war das noch mit dem Jungfernhäutchen, dem Hymen?
Dieses dünne Membran war einmal über dem vaginalen
Loch gespannt. Meistens ist es schon zerrissen, bevor irgendetwas
in die Möse eingeführt wird, denn jede dehnende übung
kann dies schon bewirken.
Die Cervix ist die öffnung des Uterus, der Gebärmutter.
Wenn du die Finger bis tief hinten in die Möse einführst,
fühlst du einen runden Knubbel, der dich vielleicht an
eine Hundenase erinnert. Hier fliesst monatlich Blut vorbei.
Und da hier keine Nervenenden sind, reagiert die Cervix auf
Druck. Manche lieben es, heftig gebumst zu werden, anderen
tut es weh. Kommt auf die Dame und ihre momentane Befindlichkeit
an. Und das ist auch das Wichtigste bei aller Aufklärung:
hör und schau genau hin, fühle in dich oder die andere
hinein. Tu nur das, was gut tut. Das kann sich über die
Zeit hinweg verändern, aber auch von Tag zu Tag oder von
jetzt auf gleich unterschiedlich sein. Lass dich drauf ein
und genieße!
Laura Méritt, Sexpertin in Berlin und Betreiberin von Sexclusivitäten. Zum freitäglichen Salon von 12 – 20 Uhr sind alle herzlich eingeladen, die Muße und Lust zum Austausch haben.
Lit. Rebecca Chalker, „The clitoral truth“.
Nathalie Angier, „Das wohltemperierte Klavier“. über
die Evolution der Klitoris. In: „Frau, eine intime Geographie
des weiblichen Körpers“. München 2000.