Warum soll eine Frau kein Diletto haben?

Sie heißen Jane, Suzie, Lill, Bea oder Dame Blanche. Ihr Out-Fit ist meist dezent, bevorzugte Farben dieser Herbst/Winter – Kollektion sind lavendel, anthrazit, rosé und ganz gewagt für die 90er schocking pink. Die Berliner-Design-Firma „Bonduelle“ empfiehlt sogar Marmoriertes für den Jahreswechsel. Selten zeigen sie sich fleischfarben. Sie sind individuell gebaut, stehen lustig und selbstbewusst zu Fülle oder Kleinwuchs. Und zwischendurch befriedigen sie ganz ungeniert unser weibliches heimliches Auge, wenn sie über Maßstäbe stolpern. Dann vergnügen sie sich als sprunghafte Delfinninen oder gemütlich schnaubende Walinnen, einige suchen als nackte Schwimmerinnen das Feuchte. Sie massieren auf dem „Zauberteppich“, bis sie abheben. Oder kommen naturköstlich als Maiskolben oder Zucchini zum Anbeißen daher. Dazu legen sie sich ganz schön ins Leder oder versetzen frau unter Strom mit „good vibrations“.
Die Rede ist hier nicht von der neuen Frau, die unauffällig in der einsamen (Männer-)Masse auch mal aus der Rolle fällt und zur Rahmen(ver-)brecherin wird. Hier geht es um „Ladies friends“, Dilettos, Olisbos ... eben um Dildos und Vibratorinnen. Dildos oder Dildas kommen vom Lat. dilettare, was so viel heißt wie erquicken und laben und so treffend ihre Wirkungen beschreiben. Im Englischen bedeutet to dilate erweitern und spielt auf die übungen unserer Mösenmuskultur an, weshalb Dildos auch „Sexerciser“ genannt werden. Im Unterschied dazu sind Vibratorinnen batterie- oder strombetrieben und lassen uns gleichermaßen in Zuckungen geraten.
Gegeben hat es die Sex-Spielzeuge (Toys'R'us) schon immer, wie aus gut unterrichteten Archäologinnenkreisen und einschlägiger Literatur bekannt ist. Aus Holz und Stein dienten sie schon in vorchristlicher Zeit den Stammesfrauen als wollüstige Handlangerinnen, auch Früchte und andere Naturalien erfüllten ihre heiligen Zwecke, was heute noch auf Abbildungen und Höhlenwandmalereien zu bewundern ist. Jägerinnen und Sammlerinnen, sprich Kollektionösen, ernteten Früchte und knotenförmige Wurzeln für ihre schmack- und nahrhaftigen Gelage, die auch mal an Voll-Monden stattfanden ... Wein, Weib und Gesang war nicht erst bei den Römerinnen das Motto des Abendmahles.
Tradition in dieser „Beziehung“ genossen besonders die ostasiatischen Völker, die bei der Entdeckung durch die Spanierinnen auf der Insel Bali die „Plaisier des dames“ genossen und auch heute noch mit federführend in Sachen Innovation des Sexmarktes für Frauen sind. Nicht nur, dass sie Tempel und Tore der Lüste in Form von Mösen (Yonis) und Lingams (Dildos) bauten, diese spiralenförmig anlegten und mit weiblichen Formen (Dreiecke als Portale) und Fontänen (Brunnen) versahen, die ganze Architektur war dildonisch und möseal angelegt, so dass eine von Etage zu Etage in Ekstase und Sexstase geraten kann. Auch in den viel beschriebenen Harems l(i)ebten die Frauen teilweise ein recht nettes Dasein mt den sog. „Hilfsmitteln“. Die ägypterinnen wussten sich ganz pfiffig zu helfen mit dem Papyrus, den sie zu Tüten formten, in diese brummende und summende Ameisen und Fliegen setzten, die sie dann funktional am Munterleib arbeiten ließen. In Japan und auch in der Türkei von ehemals gab es elastische Früchte und Pilze, die bei Einführung und Berührung mit „Feuchtem“ groß wurden, bzw. wuchsen. „Harikatas“ zählen heute noch selbst in Sprichwörtern zum unentbehrlichen Genuss von Frauen und werden als „Kujirigata“ in japanischen Jugendaufklärungsserien und -comics bei badenden Mädchen in Seen von Lustwassern aufklärerischerweise gezeigt. Westeuropa entdeckte die „Godemichés“ (lat. gaudemihi = es macht mir Freude, igitur!) leider leider erst viel später, nämlich ab dem 12 Jh., auch wenn die Damen es inoffiziell schon viel früher betrieben und die Bischöfe schon gegen Samt und Glas wetterten, was das Zeug hielt. Tönern und gläsern hatten sich nämlich die „Olisbos“ der Griechinnen tradiert, in die warmes Wasser oder heiße (Esels-) Milch gefüllt wurde.
Schönheit kommt schließlich von innen. Die berühmte „Helena“-Produktion spezialisierte sich auf Dildos aus Holz und Leder. Perfektioniert wurden die Spielzeuge im Zeitalter der Aufklärung, die im 18. Jh auch eine weitere Professionalisierung von Sex und die Einrichtung von Studios mit sich brachte. Eine Mme Gourdan konzentrierte sich in jenen Tagen bes. auf lesbische Kundinnen und belieferte diese mit passgerechten Sextoys frei Haus und Hof. Beginen, Nonnen und andere Orthodoxe wussten die „Bijoux religieux“ zu schätzen. Spezialität der Gourdan war ein hohler Dildo, der an der Spitze mit einem Loch versehen war und in den mit einem Säckchen à la Sahnespritze eine Flüssigkeit ein- bzw. ausgespült werden konnte. Auch die reisenden Damen der oberen Schichten gingen niemals ohne Begleiterinnen auf Bildungsreise und vertrieben sich die Kutschenfahrt mit den entsprechenden „Articles de voyage“ aus ihrem Handköfferchen. Nächtliche Unruhen gönnte frau sich in den beliebten Schlafstätten, die heute noch in südlichen Landen zu finden sind und zum Aufspringen auf die schwungvoll geformten Bettpfosten einladen.Tradition in dieser „Beziehung“ genossen besonders die ostasiatischen Völker, die bei der Entdeckung durch die Spanierinnen auf der Insel Bali die „Plaisier des dames“ genossen und auch heute noch mit federführend in Sachen Innovation des Sexmarktes für Frauen sind.
Die Geschichte der Vibratorinnen, zumindest die der elektrischen, ist dagegen eine jüngere. 1869 wurde die amerikanische Erfindung eines dampfbetriebenen Massagegerätes patentiert, die batteriebetriebene britische Variante ließ nicht allzu lange auf sich warten, und um 1900 existierten etwa ein Dutzend verschiedener elektrischer Vibratoren. Diese dienten zur medizinischen Standardbehandlung der angeblich um die Jahrhundertwende weit verbreiteten „Frauenkrankheiten“, die im alten ägypten und in Griechenland eindeutig als Folgeerscheinung „sexueller Deprivation“ diagnostiziert wurden. Frau Doktor hatte denn beim Hausbesuch auch das genitale Massagegerät im Köfferchen, mit dem sie unterschößig einen „hysterischen Paroxysmus“ (lies: Orgasmus) herbeiführte, was sich in „schneller Respiration und Pulsieren, Erröten der Haut, vaginale Lubrikation und abdominale Kontraktion“ manifestierte. Bis in die 20er Jahre wurde offen mit Massagetechniken zur Behandlung aller möslichen Krankheiten von Kopfweh bis zum Asthma geworben, dann wandte mann sich psychotherapeutischen Traitierungen zu und verbannte die Heilmittel auch von der erotischen Leinwand. Hauptsinn und -zweck von Massagegeräten vermisst frau auch heute in der ansonsten allzu sexuellen Werbung.
In jüngster Zeit mit dem Aufkommen der neuen Frauenbewegung haben die „Ladies friends“ ein erneutes Coming-Out, das allerdings von der PorNo-Kampagne und der Diskussion über „politisch korrekten Sex“ unterbrochen wurde. Schon in den 70ern begannen die amerikanischen Schwestern den Sexmarkt für Frauen rückzuerobern („Take back the dick“) und gründeten die ersten Frauen-Sexshops. Und sie entwickelten im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit auch neue Formen, Farben und Materialien, die sich den individuellen weiblichen Formen ein- und anpassen und auch passformbeständig sind . Denn jede, die sich studienhalber in einen der zahlreichen traditionellen „Supermärkte der Sinne“ begibt, unter männlicher Anmache und absolut anti-erotischer Atmosphäre das Warenangebot durchforstet, verlässt abgetörnt und frustriert den Laden, von grinsenden Blicken verfolgt. Diese Fertigteillager sind nicht nur vom Ambiente her nach herrschendem (Sex) Markt-Prinzip konzipiert, auch die Sex-Artikel und Magazine sind auf Männer und deren medienvermittelte Triebe getrimmt. Für Frauen bleibt da wenig Aufreizendes, was sie in Erregungskurven schmeißen könnte. Und die Sex-Industrie macht bislang auch keine Anstalten, auf die Bedürfnisse der Frauen einzugehen. Nun aber existieren lustige und bunte Spielzeuge, von Frauenhand angefertigt, aus gut riechendem geschmeidigem Silikon. Kaktus, Katze, Slip-Einlage etc. können in Gürteln getragen werden, die es auch erlauben, mehrere Dildos einzuspannen und die um die Hüfte, Oberschenkel oder auf dem Kopf tragbar sind. Konstruktionen, die das Spielzeug auf dem Büro- oder Tafelstuhl befestigen sowie Hüpfbälle mit aufsetzbaren Dildos sind der letzte Schrei vor und nach dem Aufsitzen.
Die chinesischen Hand-Entspannungskugeln tragen nach Einführung jetzt auch hier zum berühmten asiatischen Lächeln bei und schaffen eine freundlichere Arbeitsatmosphäre. Digital-Vibratorinnen verwöhnen frau auf dreifache Hingebungsweise, indem die weibliche Figur sich automatisch rechts und linksseitig drehen und hüpfen kann, eine kleine Maus stufenlos verstellbar für die Clit züngelt und ein Eichhörnchen sich anal beteiligt. Zauberstäbe vibrieren doppelköpfig im Namen der Dose und regen zu vaginalen und analen Erlebnisberichten an. Die Sex-Palette an Möslichkeiten wird ständig erweitert und auch in deutschen Landen hat der Beruf der Dildo-Gießerin Einstand gehalten. Frauen legen um die Jahrtausendwende selbst Hand an und bestimmen den Sex-Markt aus ihrer Sicht mit. Das führt auch dazu, dass der Alltag erotisiert wird, alte Frauen-Traditionen neu wiederbebebt werden und z.B. die Küche als traditionelles Reich der Frau auf vibrierende Möglichkeiten hin funktionalisiert werden. Frau trifft sich zur großen Wäsche beim Schleudergang auf der Waschmaschine, setzt Mixer, Mörser und weiteres Spül- und Dusch-Besteck ein, lässt sich gefallen. Im Super- oder auf dem Wochenmarkt ist der Gemüsestand der Treffpunkt für Insiderinnen.
Mit den neuartigen Spielzeugen können außerdem ganz nebenbei die althergebrachten Geschlechtsrollen ausgehebelt, sog. „männliche“ wie „weibliche“ Seiten rausgelassen, schon immer geträumte Situationen durchgespielt und die damit verbundenen Rollenclichés auf den Kopf gestellt werden. Sex soll lustig sein und vor allem Spaß machen, denn Lust kommt von lustig. Und als Nebeneffekt lernt frau sich und das eigene bzw. andere Geschlecht besser kennen.
Letzteres, nämlich Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung, wird konsequent verschwiegen, wenn Dildos und andere Sexspielzeuge zwangsläufig mit Lesben und alleinstehenden, d.h. männerlosen Frauen verbunden werden. Denn nicht nur Lesben fahren auf die aus männlicher Sicht bezeichnenderweise titulierten „Witwentröster und tragbaren Ehemänner“ ab, um das Vorurteil zu untermauern, sie hätten keinen „richtigen“ abgekriegt und müssten demzufolge „Hilfs- oder Ersatzmittel“ benutzen. Die Idee, dass frau orgamisch befriedigt sein soll mit den Fingern oder der Zunge der liebenden Person ist eine romantisch verklärte. Niemand erwartet, dass frau eine Person wegen der Größe des Schwanzes oder der Hand heiratet. Trotzdem sollen Frauen so tun, als ob Liebe und eine sympathische Person ausreichen würden, um sexuell befriedigt zu sein. Dabei gibt es weitaus mehr als den einen seinen und auch ein Hetero-Mann kann lernen, nach überwindung seines Konkurrenzempfindens und nach vielen Lektionen zum Thema „Sexualität der Frau“, Spaß an den neuen „Freundinnen“ zu finden. Dildos erlauben nämlich, es in jeder Form, Größe, Material und Farbe zu bekommen. Dildos sind die süße Rache der Königin, die von allen (Zentimeter-)Maßen befreit ist. über Dildos lässt sich die Palette an Befriedigung von klein und fett zu lang und schmal erreichen. Marilyn hat unter ihrem aufgeblasenen Rock längst einen umgeschnallt und sich zum Rex Dildo der Jahrtausendwende gekürt, Dornmöschen ist wachgeküsst.


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Sexclusivitäten und Laura Méritt in den Medien