Um die Jahrtausendwende zwei will frau nicht mehr nur Zünglein
an der Wade sein, sondern schmeißt sich auch schriftlich
in die Erregungskurven und propaGiert den Sexzess. Nach 30
Jahren Bewegung wird das letzte Einmachglas geöffnet,
um die geile Frau bzw. Sau rauszulassen (Rororo Neue Sau).
Was in den 70ern die Vulva News aus der Möse tickerte,
kommt nach dem PorNo und den PC-Fick-Vor-Schriften der 80er
nun im Jahrzehnt der lustvollen Lady öffentlich: der multiple
Orgasmus, direkt gefolgt von der multiplen Persönlichkeit
und der multiplen Identität unserer multikulturellen Gesellschaft.
Nun ist das mit dem Sex aber auch so eine multispältige
Sache, die entweder medizynisch „hysterisch“ im makademischem
Weißkittelsoziolekt traktiert oder vulgär proletarisch
hingesaut wird, und nicht umsonst hat das verborgene Museum
Frau so lange ihre Lustpforten verschlossen gehalten. In einer
lust- und frauenfeindlichen Kultur wie der deutschen bzw. europäisch
westlichen hat frau besser einige Power-Workshops, CR-Gruppen
und Selbstverteidigungskurse hinter sich, um den Jungs den
Wind nicht nur verbal aus der Hose zu nehmen, um dann zu hören, „wie
süß du bist, wenn du richtig sauer bist“.
Nicht nur, daß 90% des sexuellen Wortschatzes Schimpfwörter
für Frauen sind und wir erst gar nicht dazu kommen wollen,
all diese Obschönitäten negativ zu verwenden, -lieber
wix ich mir eine, auch ins Knie-. Das ewig gestrige patriarschale
Oppositionsdenken gilt es auch noch in einen bunten Regenbogen
zu überführen, ohne wieder einer preußischen
Hierarchie zu verfallen. In jenem Stellungs-Vermögen existiert
nämlich nur Variante 1, die sexbesessene, läufige
Nymphomanin (Huren, Lesben und neuerdingsbums auch geile Karrierefrauen
etc.) oder Variante II, das frigide heilige Trockengestelle,
unter die all jene fallen, die nicht flachzulegen oder zu haben
sind. Also auch Huren, Lesben und alle anderen selbsthändigen
Frauen. Kriterium ist das Loch, was noch?
O.b. ich so eine oder so eine bin, entscheidet allein der Stopfer!?!
Daß Frauen auf solche Zuschreibungen mit „Unwohlsein“ und
einem angeblich „typischen“ Drumrumreden reagierten,
verstummten oder das sozialisationsgefressene dualistische
Denken homöopathisch jelinesk erst mal rauskotzen müssen,
bevor wir frei nach Schnauze schweinzig reden können,
ist nur konsequent.
So ließ und läßt sich immer noch z.T. ein
sog. weibliches als auch ein männliches Gesprächsverhalten
bzgl. der Sexualität ausmachen, ungeachtet der vielen
Zwischenfärbungen, die es immer schon gegeben hat. Als
weiblich gilt demnach alles, was eher umschreibend ist, metaphorisch,
sehr verblümt, gerne auch in andere Sprachen flüchtend.
Die Rede ist von der -Ualität, von Liebe, Beziehung incl.
Erotik, im 6-Pack williger. Als männlich gilt der Sex
pur, direkte Benennung ohne Vorspiel und Endungen, zur Sache
Schätzchen, nicht reden, ficken, dann fönen. Gleichermaßen
stur wird zwischen Erotik und Porno unterschieden.
Nun wurde im Expresszug der Prosexbewegung aus den USA eine
Lustigkeit importiert, die auch hier in den Frauenzimmern Tapetenwechsel
verspricht. Ein Sex-Netzstrumpfwerk wird geknüpft, allen
voran lesbische und hurige Makramösen. Erotik-Boutiquen
schießen wie Dildos aus den Gewächshäusern,
den weiblichen Körper in ihrer Ganzheitlichkeit zelebrierend.
Erotische Literatur wird von Frauen geschrieben, Sex-Workshops
gehalten, Fuckerware und Play-Parties organisiert, Pornos gedreht
und Sexarbeit für Frauen angeboten. Die Sexindustrie erweitert
sich um eine Abteilung, die Nachhilfen in Sachen „Sex-Subjekt
Frau“ impulsiert, durchaus auch aus der Objektperspektive.
Dildogießerinnen etablieren sich, neue spaßgerechtere
Spielzeuge werden kreiert, Manuals geschrieben. An der Sprache
läßt sich unschwer erkennen, wie die Frauen es treiben.
Die Rede ist hier nicht mehr von Hilfsmitteln oder Plastikschwänzen, „Toys
in Babeland“ machen sich breit. Dildos sind lat. erquickend
erlabend, auf Spielparties wird sexperimentiert. A darkroom
of one's own ist selbstverständlich auch eine Femmage
an Virginia.
Der Spielcharakter beim Sex überbrückt dabei auch
die herrkömmliche Geschlechtertrennung. Rollenspiele erlauben
den „Genderfuck“ oder das „Crossdressing“,
die Einnahme jedes gewünschten Geschlechts, derer ja mehr
als 3 existieren und die auch kombinierbar sind. In der Literatur
beleben Frauen und andere que(e)re Personen eine alte Tradition,
indem sie unter Pseudohymen, oftmals männlichen, schreiben
und damit bewußt zur Geschlechtsverwirrung beitragen.
Sex-Geschichte(n) werden umgeschrieben, alte männlich
besetzte Wörter neu definiert, lustvolle Wurzeln ausgegraben
und geifrig aus der Palette an Möslichkeiten geschöpft.
Da spritzen Frauen wie Fontänen, anstatt weiblich zu ejakulieren,
da wird sich eine rauf oder rund geholt, anstatt zu masturbieren,
da sind Finger, Hände u.a. im Spiel, anstatt zu penetrieren
und nicht zuletzt wird natürlich auch gefickt und gevögelt
und manchmal auch danach beigeschlafen. Wenn auch offensichtlich
die amerikanischen Sexpressionen überwiegen wie ja allgemein
unsere Sprache zum Pidgin ravet, lassen sich doch die good
vibrations der Ladies, Girrrlies, Bitches, Holes, Madonnas
etc. übertragen und umsetzen und erstrebenswerterweise
auch aus anderen Kulturkreisen Positionen erlernen.
Sprache ist Handeln und wer wollte dies zuletzt beim Dirty
Pillow Talk bestreiten. Der Feuchtigkeitsfaktor ist garantiert
auch leserlich spürbar. Wenn AutorInnen an den Schreibtisch
gefesselt ihre cliterarischen Ausläufe haben, ist das
wiederum auch für die Rezipientin eine anregende Vor-Stellung.
So manch einer ist beim PC-Tastenspiel auf das Mäuschen
aufmerksam geworden und hat im nächsten Stadium die integrierte
Perle als erotische Digitalübung entdeckt und noch anderes
in sich geweckt. Auf der anderen Seite ist erfreulicherweise
wieder ein Trend zum Zweitbuch zu verzeichnen, denn das Wissen
um die Produktionsbedingungen regt auch zur handverlesenen
Bettlektüre an. Das aufgeweckte Dornmöschen greift
in ihr Bücherregal und ihre Dildothek. Schöne Aussichten.
Laura Méritt, Berlin 1995