Die schöne Cleopatra wusste sich zu helfen. Ihr wird nicht nur die Erfindung des ersten Vibrators zugeschrieben, sondern sexuelle Phantasie und Kreativität zur Befriedigung ihrer Gelüste. Sie badete z.B. in wohltuender Eselsmilch, ließ sich diese aber auch gerne in einen Lederbeutel füllen und einspritzen. Schönheit kommt von innen, die Wirkung hielt bis zu Liz Taylor, die sich später allerdings auch anderer Füllungen bediente.
Die potente Herrschafterin Ägyptens formte aus Papyrus eine Tüte, setzte brummende Bienchen hinein und hielt sich das surrende Sammelsurium an die Clit. Die berühmten „Hummeln im Bauch“ sind vermutlich hier entstanden. Ein Jahrtausend später wird auch „La Belle du Jour“, Catherine Deneuve, in dem berühmten Filmklassiker von einem Kunden mit einem Kästchen beglückt, das besonders fleißige asiatische Summos enthielt. Und wenn auch unsere schöne Französin mit gewohnt unbeweglich feiner Miene darüber hinweggeht, finden wir solchen Einfallsreichtum doch bemerkenswert.
Nicht alle Frauen waren so kreativ in ihrer Bedürfnisbefriedigung. Ab dem 4. Jahrhundert bis tief ins 20. unserer westlichen Welt hinein wurde all den weniger Einfallsreichen von männlicher Seite geholfen. Schon der gute Hippokrates, der Urvater der ärztezunft, und auch der temperamentvolle Celsus, römischer Medizinhistoriker, empfehlen bei „Hysterie“ vor und nach Christus eine genitale Behandlung:
„Wenn diese Symptome auftreten, ist es notwendig, eine Hebamme herbeizurufen, die die Genitalien mit einem Finger innen massieren kann und Lilienöl, Moschuswurzeln, Krokus oder ähnliches verwendet. Ein Paroxysmus (vulgo: Orgasmus) kann so herbeigeführt werden.“
Diese als Fingerstimulation bekannte Heilmethode, die den gemeinen Orgasmus herbeiführen kann, wurde besonders Anfälligen wie Witwen, keusch oder jungfräulich Lebenden sowie religiösen Frauen verschrieben. Sehr junge oder sogenante öffentliche wie verheiratete Frauen dagegen sollten noch bis ins 16. Jahrhundert die bittere Medizin des Geschlechtsverkehrs mit einem bzw. ihrem Ehemann schlucken. Da dies aber in den seltensten Fällen half, litten sie weiter unter „Bauchweh“ und rannten nach wie vor zum Doktor.
Der griechische Philosoph Plato (428 – 348 v.Chr.) führte das „Bauchweh“ darauf zurück, dass der Uterus sich dagegen wehre, weiblichen Samen zurückzuhalten. Der kurze Atem und die Blässe seien ein weiteres Zeichen dafür, dass der Unterleib ersticke. Heilung versprach die „humoristische“ Methode (gr. humor = Flüssigkeit), die den Unterleib in die normale Beckenposition zurückbringt, indem die überschüssigen Flüssigkeiten herausgeschleudert werden. Doch wie kriegt man das nun hin?
Darüber schwieg der gute Plato.
Im 13. Jahrhundert wurden vor allem Nonnen, die verstärkt von dämonischen Anfällen besessen waren, Dildos zugeführt. Auch Zäpfchen aus Alpenveilchen, Zwiebeln, Knoblauch und Ochsengalle wurden eingesetzt, um die unruhige Frau wieder zu Säften zu bringen.
Zu Zeiten der Renaissance wurde dagegen die „Subfumigation“ praktiziert. Die Patientin saß über einem kleinen Stövchen, aus dem – je nach Diagnose – an- oder abregende Düfte in die Vagina strömten. Zu Zwecken der Wirksamkeit wurde zusätzlich ein gelöcherter Dildo eingeführt, um die Möse offen zu halten.
Im 18. Jahrhundert änderte sich das aufgrund eines offiziellen Meinungsumschwungs grundlegend. Jetzt durfte nichts mehr eingeführt werden, da dies als verstärkender Faktor und daher schädlich angesehen wurde. Man empfahl stattdessen stundenlanges Reiten auf einem Pferderücken oder heftige Beckenbewegungen in einem Schaukelstuhl. Lange Reisen in der Kutsche und später im Zug mit bewusst holprigen Routen wurden eigens für Frauenleiden ausgearbeitet und verschrieben.
Im späten 19. Jahrhundert war Hydrotherapie – Wasserbestrahlung der Clit – der Hit. Frauen pilgerten in die berühmten Thermalbäder, allen voran in Österreich, aber auch in Deutschland, England und USA, um die „lokale Irrigation“ zu erhalten. Und dann taten es die Vibratoren.
Unter was oder wem litten diese Frauen, dass sie eine solche Behandlung wünschten und sich hinterher sichtlich besser fühlten, sodass die Therapie wiederholt verschrieben wurde? „Schlaflosigkeit, Verwirrung, Nervosität, erotische Phantasien, Völlegefühl im Bauch und im Beckenbereich sowie vaginale Lubrikation“ (sprich: Nässe).
Für heutige geschulte Ohren hört sich das ganz normal an und könnte mit dem Zustand weiblichen sexuellen Verlangens treffend diagnostiziert werden. Erleichterung verschafft natürlich ein Orgasmus:
„Das Subjekt verliert offensichtlich das Bewusstsein durch Errötung der Haut, es zeigt voluptuöse Sensationen und Verwirrung bis Verlegenheit, nachdem es sich von der kurzen Weggetretenheit erholt hat – normalerweise weniger als einer Minute“.
Einig waren sich die Herren darüber, dass es sich um eine Unzufriedenheit seitens des weiblichen Geschlechts handelte. Man stritt sich aber über Jahrhunderte hinweg, ob diese Abnormität zu der „normalen“, d.h. männlichen Befriedigung durch zu wenig oder zu viel Sex eintrat. Zu wenig hatten scheinbar mannslose Weiber, denen deshalb möglichst zur Heirat geraten wurde. Kränkelten die Ehefrauen, spekulierte man auf den Coitus interruptus als Ursache. Nymphomaninnen und Prostituierte hatten zuviel Sex und waren deshalb nicht zu befriedigen, also eines Orgasmus nicht fähig. Blutarmut und Magersucht bei jungen Frauen waren Folgeerscheinungen von übersteigerten erotischen Phantasien. Auch Masturbation führe eindeutig zu Empfindungslosigkeit und Unwillen gegen die Ehe, mache aus heterosexuellen Frauen Lesben.
Als Symptome der übermäßigen Beschäftigung mit sich selbst galten dunkle Schatten unter den Augen, Blässe und ein allgemeiner Schwächezustand. Bei näherer Untersuchung kämen unterschiedliche Längen der Schamlippen zum Vorschein und enorm geschwollene Genitalien. Tee- oder Kaffeekonsum sowie Alkohol begünstigen die Masturbation. Auch das Tragen einer Korsage während der Lektüre französischer Romane sei förderlich. Man untersagte auch das Arbeiten an Nähmaschinen, da das abwechselnde Betätigen der Fußpedale eine reizende Wirkung auf die Frauen ausübe. Fahrradfahren sei gleichermaßen zu unterlassen.
Offensichtlich suchten die Frauen zu befriedigen, was nach Meinung der Männer durch den Geschlechtsakt erfolgen sollte. Auch Aristoteles stellte schon im 4. Jahrhundert fest, dass Frauen Schwierigkeiten hätten, den Orgasmus beim Coitus zu erreichen, was im übrigen heute noch ca. 70% aller Frauen bestätigen. Um nicht das Scheitern in der Orgasmusproduktion durch die herrliche Penetranz zuzugeben, kam man alsbald zu der überzeugung, dass Frauen als solche an sexueller Potenz mangelten und von Natur aus weniger sexuelle Gefühle hätten. Frigidität und Anorgasmie seien daher durchaus normal und mehr oder weniger zu behandeln. Denn auch diejenigen, die immer nur an das Eine dachten oder es sogar taten, litten ja nach Meinung der Herren unter einem Mangel.
Da gab es ja nach wie vor diese merkwürdigen Symptome, mit denen immer mehr Patientinnen beim Doktor vorstellig wurden: Gähnen, Magenschmerzen, Schlaflosigkeit, Muskelticken, später kamen sogenannte neurasthenische Anzeichen dazu, also Stresserscheinungen des modernen Lebens, die die Sexualität beeinflussen. Symptome, die auf alles und nichts hinweisen, und deshalb ganz testerisch unter dem Sammelbegriff „Hysterie“ noch bis 1952 behandelt wurden, als die „American Psychiatric Society“ Hysterie aus der Liste der Krankheiten strich.
So legte der Herr Doktor schon früh Hand an und führte den „hysterischen Paroxysmus“ herbei, verschaffte den Frauen den erlösenden Orgasmus, weil niemand anderes es tat, tun wollte oder konnte. Aber so einfach war das schließlich auch nicht.
„Die vulvulare Massage, um einen Orgasmus bei der Frau zu produzieren, ist schwierig zu lernen. Es ist ähnlich wie das Spiel der Buben, wenn sie versuchen, ihren Bauch zu reiben und gleichzeitig sich auf den Kopf zu klopfen!“ erklärt ein Arzt 1660. Da ist es naheliegend, den ungeliebten Job an die Hebammen, AssistentInnen oder an einen unpersönlichen, aber unermüdlichen Mechanismus abzugeben. Der Zeitaufwand reduzierte sich dadurch von über einer Stunde Handarbeit auf durchschnittlich 10 Minuten. „Quickie“, würde man heute dazu sagen, oder ganz normale ärztliche Behandlungszeit im kapitalistischen Fließbandbetrieb.
Die wohltuende Wirkung dank „Hysterie“ sprach sich schnell unter Frauen rum. Redete man schon im 17. Jahrhundert von einer Pandemie, so war Ende des 19. Jahrhunderts ca. drei Viertel der weiblichen Bevölkerung „krank“.
Orgasmen können keiner schaden, und Frauen waren ja schon immer stärker um ihre Gesundheit bedacht als Männer. Die unfähigen Ehemänner sollten dafür zahlen.
Die Entwicklung des ersten elektromechanischen medizinischen Instrumentes (Vibrator) Ende des 19. Jahrhunderts ist die konsequente Fortführung der früheren Massagetechniken. Schnellere und effizientere Therapien wurden notwendig, um den Ansturm der Patientinnen zu bewältigen. Und – wen wundert es – die Herren Doktoren zeigten natürlich verstärktes finanzielles Interesse an der mechanischen Produktion von Orgasmen. Ob die medizinischen Autoritäten sich bewusst waren, dass ihre Abhilfe mittels genitaler Massage einen weiblichen Orgasmus herbeiführte, sei der männlichen Ignoranz anheimgestellt.
Bis ins 18. Jahrhundert hinein fehlte eine vollständige Erklärung der weiblichen Anatomie, und in den allerwenigsten Werken über Hysterie wird der Paroxysmus explizit als das benannt, was er ist: ein weiblicher Orgasmus. „Richtige“ Frauen erreichten schließlich erst durch vaginale Penetration durch den Mann die sexuelle Reife, ihr Orgasmus sei ein Nebenprodukt des männlichen und für eine Schwangerschaft nicht notwendig. Die herausragende Stellung der Clitoris wurde vom erigierten Penis erdrückt.
Um die Jahrhundertwende musste natürlich Sigmund Freud als Begründer der Psychoanalyse seine eigene Hypothese zur Hysterie entwickeln. Fand er anfänglich noch die Ursache im ehelichen Bett, erklärte er später Frigidität bei männlicher Penetration und Masturbation bei Frauen durch frühe Kindheitserlebnisse. Damit verschob er die Aufmerksamkeit auf das Psychische und enthob ganz clever die Männer der Verantwortung und sich selbst der lästigen physischen Behandlungen (Hydro- und Elektromassagen), die seiner Meinung nach erfolglos seien. Ein Mann, der notorisch ignorierte, was Frauen massenhysterisch wollten, konnte als gynäkologischer Masseur nur scheitern.
Zur gleichen Zeit entwickelten die französischen Kollegen von der Neurologie eine ganz andere Faszination der hysterischen Konvulsionen. Sie veröffentlichten ein dreibändiges medizinisches Werk mit voyeuristischen Bildern von Frauen, die sich in ekstatischen Zuständen befanden, Flüssigkeiten von sich gaben und laut „Oui, Oui!“ schrien. Hier entstanden die ersten erotischen Fotografien.
1835 brachte Gustav Zander seine „schwedische Bewegungsmaschine“ auf den Markt, auch pedalbetriebene Windapparaturen taten ihre Wirkung. Wahrscheinlich kommt der Ausdruck „einen blasen“ aus dieser Zeit und war eigentlich nur für Frauen. 1869 patentierte George Taylor einen dampfgetriebenen Massage- und Vibrationsapparat, der neben Physikern von Badehausbetreibern angefordert wurde. Die zur Kur Kommende hatte sich mit dem Gesicht nach unten auf einen Tisch zu legen und den Unterleib in das dafür vorgesehene Loch zu pressen. Von unten wurde dann Druck auf die Pflaume ausgeübt. Vor allem in Europa und hier besonders in Großbritannien verschrieb man hydrotherapeutische Anwendungen gegen weibliche Beschwerden; die Patientinnen nahmen diese neue Maßnahme gerne auf. Die Bäder waren fest in Frauenhand; auf Geschlechtertrennung wurde strikt geachtet. Kaltwasser-Beckenduschen erfreuten sich reger Zusage.
„Der erste Eindruck, den der Wasserstrahl hinterläßt, ist schmerzlich. Als Effekt der Pression stellten sich aber bald die Reaktion des Organismus auf die Kälte und das Erröten der Haut ein. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts ist für viele Personen ein sehr angenehmes Gefühl, sodass es vorbeugend nötig ist, die Zeit von 4 – 5 Minuten nicht zu überschreiten. Nach der Dusche trocknet die Patientin sich ab, schnürt ihr Korsett und geht mit schnellem Schritt aus dem Raum.“
Wer sich heute nicht nur schnell mit kalten Duschen begnügen will, der sei an dieser Stelle das Gellertbad in Budapest empfohlen. In historischem Ambiente kann frau sich unter ihresgleichen all den altertümlichen Wasserbehandlungen hingeben und wie damals den Ort des Wohlergehens mit gerötetem Gesicht verlassen. Auch in modernen Thermalbädern sieht man freudestrahlende Damen auf den Düsen sitzen und die fließenden Gewässer genießen.
1880 gelang es einem britischen Physiker namens Weiss, einen elektromechanischen Vibrator zur Behandlung der vielen chronisch Kranken zu entwickeln. Die elektrischen Vibratoren mit auswechselbaren Aufsätzen übten einen rhythmischen Druck aus und konnten in einem günstigen Winkel gehandhabt werden. Vibrierende Dildos hatten einen geraden Schaft zur vaginalen oder analen Einführung. Das Weiss-Modell wurde international vermarktet und schon 1880 von Mortimer Granville auch mit Batterien versehen.
Damit wurde ein Schmerzmittel für die weiblichen Leiden gefunden, das Besserung versprach. Vor allem musste so nicht am männlichen Sexualitätskonzept gezweifelt werden. Mit Vibratoren wurden sogar multiple Orgasmen in kürzester Zeit möglich und gaben den Frauen das Gefühl ihrer Potenz zurück. Innerhalb weniger Jahre spezialisierten sich über ein Dutzend Unternehmen auf die Produktion von batteriebetriebenen und elektrischen Vibratoren. Bei einigen Medizinern entstanden sogar komplett eingerichteten Behandlungszimmern, „operating theatres“ genannt.
Auf der Pariser Weltausstellung um 1900 konnte eine breite Palette an Vibrationsapparaten zum therapeutischen Gebrauch begutachtet werden, von 15 Dollar preiswerten wind-, wasser-, gas-, batterie- bis zum strombetriebenen Cadillac der Vibratoren, dem 200 Dollar teuren Chattanooga-Vibrator. Es gab Musikvibromassagegeräte, Schwingungstücher, vibrierende Gabeln, hand- oder fußbetriebene, muskelklopfende, tragbare, rollende oder standhafte Vibratoren und solche, die an der Decke der Klinik befestigt werden mussten und die dem Werkzeug in einer Garage ähnelten.
Die Vielfalt der Vibrationen wurde in Artikeln und Büchern angepriesen und als Wundermittel für fast alle Beschwerden beider Geschlechter empfohlen, da es sich in der gynäkologischen Praxis als besonders effektiv und kostensparend erwies. Männern wurden Vibratoren als besonderes Geschenk für ihre Frauen nahegelegt, um das Strahlen in deren Augen und die rosigen Wangen als Zeichen der Zuneigung zu erlangen. Praktisch war auch das Alles-in-Einem-Modell, das es erlaubte, diverse Aufsätze zum Mixen, Stampfen, Mahlen und sogar einen Föhn neben dem Vibrator anzubringen.
Erst in den 1920er-Jahren verschwand der Vibrator sowohl als Heim- wie auch als medizinisches Heilgerät. Er wurde wahrscheinlich allzu offensichtlich als sexuelles Genussmittel in den ersten obszönen Filmchen eingesetzt. Vielleicht waren die Mediziner aber auch zu einem größeren Verständnis der weiblichen Sexualität gelangt.
In den 1960er-Jahren erlebte der Vibrator sein Revival und wurde ab den 1970ern offen als „Hilfsmittel zur Erreichung des weiblichen Orgasmus“ deklariert. Die Frauenbewegung gab ihn dann offiziell in die Hand der Frauen zurück, um die Arbeit zu tun, die sonst keiner übernehmen wollte.
Zum Weiterlesen:
Joani Blank, Ann Whidden, Good Vibrations. The New Complete Guide to Vibrators.
4. Aufl. Down There Press, 2000.
Rachel P. Maines, The Technology of Orgasm. 'Hysteria', the Vibrators, and Women's Sexual Satisfaction, John Hopkins Studies in the History of Technology, 2001.