Früher aß frau freitags frischen Fisch. Frischen Fisch aß frau früher freitags. Heute sind meist weder die Fische noch die Freitage so exclusiv – dennoch gäbe es Grund genug, dieser alten Tradition wieder zu frönen, wurde der Freitag doch nach der Liebesgöttin Venus benannt, woran das französische „vendredi“ oder italienische „venerdi“ noch erinnert.
Und woran erinnert Fisch?
Richtig!Eine hat diese Tradition wiederbelebt: Freitag, das ist heute der Tag der Salonlöwinnen bei „Sexclusivitäten“, dem ältesten Sex-Dienstleistungsunternehmen für Frauen in Deutschland. Laura Méritt lädt alle Arten von Weiblichkeiten ein, sich in gemütlicher Runde „stimulustig An-Regungen“ zu holen und sich auf weitere schöne Sinnesereignisse für das Wochenende (oder den Tagen, Wochen oder Jahren danach) einzustimmen.
Hier geben sich hartgesottene „HabichallesinSanFranciscoschongesehen“-Dykes auf der Suche nach weiteren Raritäten für die Sammlung mit zaghaft sexuelles Neuland entdeckenden Frauen jeden Alters und jeder sexuellen Orientierung erst die Klinke und dann die Sexspielzeuge in die Hand. Hier wird gleichermaßen über wünschenswerte Dildo-Kreationen mit eingebauten Klit-Stimulatoren gefachsimpelt wie über neue und alte Clubs, Regierungskoalitionen oder Beziehungskisten getratscht. Künstlerinnen breiten ihre neuesten Werke auf dem Teppich aus, während neugierige Provinzlerinnen einen Blick in die frisch eingetroffenen Frauen-Erotik-Videos werfen. Oder umgekehrt. Laura Méritt kredenzt dazu leckeren Milchkaffee und ihr alle zwei Minuten durch die Räume schallendes Lachen. Sie freut sich über kleine Mitbringsel jeder Art und drückt für jede Besucherin einmal auf´s kleine Zählwerk im Flur, das nach nicht ganz einem Jahr Salonbetrieb bei fast sechshundert steht.
Im Laufe der Jahre wird es wohl eine fast fünfstellige Zahl von Personen gewesen sein, die bei der Sexpertin um Rat, Tat & Toy gefragt haben. Anfangs zog die ehemalige Luxemburger Meisterin im Kugelstoßen, diplomierte Gymnastik- und Germanistiklehrerin und Hure in spe nach ihren Seminaren zu geschlechtsbezogenem Gesprächsverhalten an der Freien Universität mit ihrem „Ficknickköfferchen“ los, um auf den Sofas von Freundinnenkreisen das noch spärliche Sortiment an frauenkompatiblem Sexspielzeug feilzubieten. Die Fuckerwear-Party war geboren. Damals wie heute kam Laura Méritt je nach Anlass als Nicoletta, Nonne, Cowgirl, Krankenschwester oder Emma Peel ins Haus. Das Geschäftchen mit den Spielzeugen wurde auf den Namen Sexclusivitäten getauft und erhielt einen Stammplatz im ureigensten Reich der Frau – im Küchenregal von Lauras Wohnung in einer erstaunlich biederen Mietskaserne, immerhin aber in Berlin – der einzigen Stadt, in der eine solche Existenzgründung zu dieser Zeit überhaupt nur denkbar war.
Der Wunsch nach einer persönlichen Atmosphäre hält die Dildo-Dealerin – gemessen daran, wie in den 80er Jahren die ersten von Penetrations- und PorNo-Debatten gebeutelten Kundinnen zu ihr schlichen, kam sie sich jedenfalls wie eine Dealerin vor – seit über 10 Jahren davon ab, einen Laden für ihre Sexclusivitäten zu mieten. Nach dem Umzug unter die Dächer des lesbischwulen Kiezes Kreuzberg 61 mutierte und sexpandierte die Sexküche, die zuletzt kaum mehr Platz zum Kochen bot.
Denn auch wenn der einstige Bauchladen zwar noch immer mehr aus dem Bauch heraus als nach wirtschaftlichen Notwendigkeiten betrieben wird, füllte sein Inhalt im Laufe der Jahre mehrere Vitrinen und Regale, die heute in einem von der Frau Mama eingerichteten Biedermeierzimmer stehen.
Und wenn das (natürlich knallrote) Köfferchen mit der Chefin zu einer der zahlreichen „ToyToyToy-Shows“ in einen selbst noch so entlegenen Teil der Republik unterwegs ist, fällt die Qual der Auswahl schwer. Dass sich das Angebot an ästhetischen und qualitativ hochwertigen Sexspielzeugen für Frauen so vervielfältigt hat, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst von Laura Méritt selbst. Mit der Idee eines Frauen-Sexnetzwerkes im Kopf, das Designerinnen, Produzentinnen, Verkäuferinnen und Sexarbeiterinnen miteinander verbindet, hat sie immer wieder Herstellerinnen mit Ideen und Wissen versorgt. Dazu ist sie weltweit immer auf der Suche nach Neuigkeiten, mit denen sich die Damen verlustieren können.
Bei ihren Reisen rund um den Globus wurde sie am häufigsten im Mutterland der Frauensexwelle, den USA, fündig, importierte aber auch Vibratoren, Dildos, Kugeln, Stäbe, Videos und Kuriositäten aus Japan, England, China, Schweden oder den Niederlanden. Von den Reisen im Kopf brachte die Linguistin praktische Anregungen aus dem Studium antiker bis neuzeitlicher Literatur mit – und bringt so manche Gästin mit ihren Schilderungen, wie beispielsweise Cleopatra den Vibrator erfand, indem sie Fliegen in eine Papyrosrolle steckte und das Brummsel an ihre Klit hielt, auf „dumme Gedanken“.
Letzteres ist sowieso Hauptzweck der Institution Laura Méritt. Ginge es nur um den Verkauf sexueller technischer Hilfsmittel, wie es so schön im Beate-Uhse-Jargon heißt, wäre die Sexpertin als erste zu (Bett-)Tode gelangweilt. Schließlich macht ein Dildo allein noch keinen ekstatischen Frühling. Und weil es in unserer Gesellschaft rar gesät ist, daß sexuelles Wissen von Mutter zu Tochter oder auch Freundin zu Freundin weitergegeben wird – daran ändert aller Klatsch und Tratsch über das Thema No. 1 nichts –, versucht Laura vor allem, den Schlüssel zum verborgenes Museum namens „Sexualität der Frau“ weiter zu reichen. Und zwar egal, ob das in einem Beratungsgespräch beim Kauf oder in einem ihrer zahlreichen Workshops wie „S/M – leicht gemacht“, „Sprache und Lust“, „Klappen auf“ oder „Hure und Heilige“ geschieht – oder bei ihrer praktischen Arbeit als Betreiberin des „Club Rosa“, dem europaweit einzigartigen Escort-Service von Lesben für Frauen. Bei aller vermeintlichen Aufgeklärtheit kurz vor der Jahrtausendwende reißt das Bedürfnis an Entdeckungsreisen zu G- (oder A-, B-, L-) Flächen, Tips zum Training der Mösenmuskulatur (und deren Einfluss auf Art und Intensität von Orgasmen), wörtlich zu nehmende Spritztouren oder dem ganz simplen „Wie benutze ich eigentlich ein ...“ nicht ab. Ganz im Gegenteil. Deshalb gehörte der praktische Teil, das Ausprobieren, schon immer mit zur Angebotspalette – für die, die „mit“ wollen.
Das alles wird übrigens begleitet von einer Spezialität, ohne die Laura undenkbar wäre: ihrem Lachen. über alles, mit allen, und (auch) vollkommen unmotiviert. Lachen macht sexy. Schön. Willig. Und hebt vor allem eins auf: den Ernst der Sache. Schließlich: Humor heißt (lateinisch:) Feuchtigkeit! Und Lust kommt von lustig!
Susanne Kaiser